Steuerfreie Übertragung stiller Reserven in das EU-Ausland (§ 6b Rücklage)

Steuerfreie Übertragung stiller Reserven in das EU-Ausland (§ 6b Rücklage)

Stille und damit bisher unversteuerte Reserven können insbesondere in Firmenimmobilien enthalten sein. Oftmals liegt die Anschaffung bzw. Herstellung Jahrzehnte zurück, Gebäude sind nahezu abgeschrieben und die zwischenzeitlichen Wertsteigerungen bei Immobilien führen dazu, dass aktuelle Verkehrswerte und steuerliche Buchwerte erheblich auseinanderklaffen. Eine Veräußerung dieser Firmenimmobilien führt zwangsläufig zur Aufdeckung und damit Versteuerung von stillen Reserven.

§ 6b EStG erlaubt die steuerfreie Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter. Sinn der Vorschrift ist es, wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen zu ermöglichen, die ohne diese Vorschrift an der sonst entstehenden Steuerbelastung scheitern würden.

Beispiel: Herr Müller besitzt ein Betriebsgrundstück mit Lagergebäude in Gronau, welches 1980 erworben wurde. Das Gebäude ist vollständig abgeschrieben. Das Grundstück steht mit einem Buchwert von 20 T€ in der Bilanz zum 31.12.2015. Im Jahr 2016 veräußert Herr Müller die Immobilie zu einem Verkaufspreis von 1 Mio. €. Im gleichen Jahr wird ein verkehrsgünstigeres Grundstück in Gronau erworben und mit einer größeren, moderneren Lagerhalle bebaut. Die Anschaffungskosten liegen bei 2 Mio. €. 1 Mio. € können als Bankkredit aufgenommen werden, 1 Mio. € resultieren aus dem Verkauf der alten Immobilie. Ohne § 6b EStG müsste Herr Müller auf den Veräußerungsgewinn (1 Mio. € – 20 T€ = 980 T€) rund 490 T€ Steuern entrichten und könnte insoweit den Betrag nicht zur Reinvestition verwenden. § 6b EStG ermöglicht es ihm, die aufgedeckte stille Reserve vollständig auf die Neuinvestition zu übertragen, sodass keinerlei Steuer anfällt.

Voraussetzung ist, dass die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben und dass die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüterzum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören. Das bedeutet nach dem Wortlaut des EStG in dem vorgenannten Beispiel, dass die Reinvestition in Deutschland (hier: Gronau) begünstigt ist, dass eine Investition zum Beispiel in Enschede (Niederlande) nicht begünstigt ist.

Diese steuerrechtliche Regelung ist jedoch europarechtswidrig, da Sie gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit verstößt. Nach dem Urteil des niedersächsischen Finanzgerichtes vom 01.12.2011 Aktenzeichen 6 K 435/09 ist auch eine Reinvestition im EU-Ausland steuerbegünstigt. Der Bundesfinanzhof hält die Rechtslage für so eindeutig, dass er eine Revision nicht zugelassen hat (BFH vom 20.08.2012, I R 3/12(NV). Das Finanzgericht München hat diese Rechtsprechung mit Urteil vom 7.7.2014 (Aktenzeichen 5 K 1206/14) ebenfalls bestätigt. Das heißt, Sie haben die Möglichkeit, stille Reserven in Deutschland aufzudecken und diese stillen Reserven in das EU-Ausland mitzunehmen.

Inzwischen hat der Gesetzgeber durch das Steueränderungsgesetz 2015 reagiert und einen neuen § 6b Abs. 2 EStG geschaffen. Diese Vorschrift lässt zu, dass bei einer Reinvestition im EU-Ausland die Steuer auf den Veräußerungsgewinn in fünf gleichen Jahresraten entrichtet wird. Dies stellt eine Verbesserung gegenüber der vorherigen Gesetzeslage da. Es ist aber höchst strittig, ob durch die Neuregelung die Europarechtswidrigkeit des § 6b EStG tatsächlich beseitigt wird, da z.B. die Reinvestition eines aus Immobilienverkäufen erzielten Veräußerungsgewinns im EU-Ausland immer noch diskriminiert wird. Für den EU-Fall gibt es eine fünfjährige Ratenzahlung. Im Inlands-Fall gibt es bei Grund und Boden im Extremfall eine unendliche Steuerstundung, bei Gebäuden im Betriebsvermögen immerhin eine Steuerstundung, die sich über die Nutzungsdauer von zumeist 33 Jahren verteilt.

Wir erläutern Ihnen, wie Sie sich in dieser unklaren Rechtslage am besten verhalten.